Hanf und das Tourette-Syndrom

Autor: Lucie Garabas

In den Niederlanden ist es möglich, Hanf in der Apotheke auf Rezept zu erhalten, allerdings nur auf Basis weniger akzeptierter Indikatoren. Zu diesen Indikatoren gehören neben chronischen Schmerzen auch spastische Lähmungen bei Multipler Sklerose und das Tourette-Syndrom. Diese Krankheit wurde nach Dr. Gilles de la Tourette benannt, dem Arzt, der das Syndrom erstmals beschrieb.

Das Tourette-Syndrom - was ist das?

Das Tourette-Syndrom ist eine komplexe neuropsychiatrische Erkrankung, die sich meist während der Kindheit oder Jugend bemerkbar macht. Typisch für diese Erkrankung sind sogenannte „Tics“, plötzliche Zuckungen vor allem im Bereich von Gesicht, Hals und Schultern (z.B. Verziehen des Mundes, zuckendes Kopfdrehen). Begleitend tritt mindestens ein vokaler Tic auf, bei dem der Betroffene Laute von sich gibt oder verschiedene Flüche ausruft. Weitere Begleitsymptome können Verhaltensstörungen wie Selbstaggression, Hypersexualität oder zwanghafte Gedanken und Verhaltensweisen sein.

Hanf - Wirkung bei Tourette-Syndrom

Die meisten heute bekannten Fakten bezüglich der Wirkung von THC und Hanf auf diese schwer behandelbare Krankheit stammen aus klinischen Tests in Deutschland. An der medizinischen Hochschule in Hannover führte ein Team unter der Leitung von Professorin Kirsten Müller-Vahl eine Studie zur Wirkung von THC auf das Tourette-Syndrom durch. Einige Patienten, die in der dortigen Spezialambulanz behandelt wurden, berichteten, dass sie dank des Hanfkonsums einen Rückgang der Krankheitssymptome verzeichneten. Eine zwischen 1994 und 1996 bei 64 Patienten durchgeführte Umfrage ergab, dass 14 von 17 Patienten mit Hanfkonsumerfahrung einen positiven Einfluss auf die Symptome der Krankheit bemerkten, teilweise bis zum vollständigen Verschwinden motorischer und vokaler Tics. Ähnliche Schlussfolgerungen anderer Autoren erschienen in Fachzeitschriften.

In einer ersten Untersuchung an der medizinischen Hochschule in Hannover erhielt jeder Patient einmalig zehn Milligramm THC, was zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik führte. Bei einer zweiten Beobachtung erhielten einige Patienten einmalig fünf bis zehn Milligramm THC, was sowohl die Tics als auch zwanghafte Symptome verringerte. Laune, geistige Leistung und Konzentrationsfähigkeit wurden durch diese Gabe von Dronabinol nicht signifikant beeinflusst.

Im Rahmen einer dritten Studie wurden bei 17 Patienten Wirkung und Verträglichkeit von THC im Placebovergleich untersucht, und zwar über einen Zeitraum von sechs Wochen. Ursprünglich beteiligten sich 24 Patienten an der Studie, wobei jeweils 12 Patienten entweder THC in Kapseln oder ein optisch und geschmacklich identisches Placebo einnahmen. Sieben Patienten brachen die Studie vorzeitig ab oder wurden aus der Auswertung ausgeschlossen, da sie nicht die vereinbarten Bedingungen der Untersuchung einhielten. Ein Patient nahm beispielsweise zusätzlich ein anderes Medikament ein, ein weiterer hatte einen negativen THC-Urintest, obwohl dieser positiv hätte sein sollen. Nur ein Patient unterbrach die Studie wegen starker Nebenwirkungen (etwa 24 Stunden andauernde Beengungsanfälle). Für die Endauswertung blieben acht Patienten in der THC-Gruppe und zehn Patienten in der Placebogruppe. Die Verabreichung begann mit einer Dosis von 2,5 Milligramm täglich, die je nach Verträglichkeit im Dreitagesrhythmus auf eine Maximaldosis von zehn Milligramm täglich gesteigert wurde.

Gemessen wurden die Intensität der Tourette-Symptomatik, die psychomotorische Leistungsfähigkeit und einige weitere Parameter. Die untersuchenden Personen wussten nie, ob es sich um einen Patienten handelte, der THC oder ein Placebo einnahm. Die Symptome der mit Dronabinol behandelten Patienten verbesserten sich im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Patienten deutlich. Die Verbesserung war am 30. oder 31. Tag der Studie größer als am 21. oder 22. Tag, was darauf hindeutet, dass die Wirkung des THC im Verlauf der Studie zunahm.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass THC und Hanf offensichtlich positive Wirkungen auf das Tourette-Syndrom haben, obwohl bisher nur eine einzige überzeugende Studie mit Tourette-Patienten vorliegt. Die therapeutische Wirkung ist bei einem Teil der Patienten so deutlich, dass die Symptome dieser stark einschränkenden neuropsychiatrischen Krankheit komplett oder nahezu komplett verschwinden. Für die Behandlung wird in der Regel eine relativ niedrige Dosierung benötigt, die bei den meisten Patienten keine relevanten Nebenwirkungen verursacht.

Dr. med. Franjo Grotenhermen